Portrait im Tagesspiegel Background

23. Juni 2021

Von Prof. Brem ist ein Portrait im Tagesspiegel Background Digitalisierung & KI erschienen

Ein Artikel von Simon Schwarz (Originalabdruck, mit freundlicher Genehmigung des Tagesspiegel)

Im Studium wollte Alexander Brem unbedingt gründen, Branche und Richtung egal. „Wir haben dann das langweiligste Business der Welt gegründet: eine Beratung“, sagt er und lacht. Später wechselte er in die Wissenschaft – und bringt seinen Studierenden heute ausgerechnet Kreativität und Innovation bei. Seit 2019 ist er Institutsleiter und Inhaber eines Stiftungslehrstuhls für Entrepreneurship in Technologie und Digitalisierung an der Universität Stuttgart. Gefördert wird die Stelle vom Daimler-Fonds im Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft.

Die Professur ist Teil des Cyber Valley, einem der größten Forschungszentren Europas für Künstliche Intelligenz. Involviert sind neben Unternehmen wie Amazon und BMW die Universitäten Tübingen und Stuttgart sowie die Max-Planck-Gesellschaft. In Tübingen liegt das Augenmerk vor allem auf der Grundlagenforschung. In Stuttgart betrachtet Alexander Brem Künstliche Intelligenz mit der betriebswirtschaftlichen Brille: „Hier verstehe ich den Fokus auf KI + X, das heißt KI interdisziplinär zu verknüpfen. Was macht ein KI-Ökosystem aus, welche Player braucht es?“

Seine Forschungsschwerpunkte sind technologieorientierte Innovation und Entrepreneurship. Sprich: wie man Innovationen in Gründungen übersetzen kann. Er lobt das industrie- und forschungsstarke Umfeld in Baden-Württemberg. Die schwäbische Vorsicht der Gründer:innen hält er für hinderlich: „Die denken eher klein. Unsere Aufgabe ist, das ‚think big‘ hier noch stärker einzubringen“, sagt er. Momentan entwickelt er ein Programm für KI-Doktorand:innen, das ihnen Entrepreneurship näherbringen soll.

Alexander Brem wurde 1979 in Bad Kötzting geboren und wuchs im niederbayerischen Viechtach auf. Er stammt aus einer Arbeiter:innenfamilie. Der Vater Zimmerer, die Mutter arbeitete in einer Fabrik. In seinem Leben habe er nie etwas geschenkt bekommen. Als er in der vierten Klasse war, in der Hand die Bescheinigung fürs Gymnasium, sagte sein Lehrer: „Neenee, da gehst du nicht hin.“ Und habe den Zettel zerrissen und weggeschmissen, erzählt er. Seine Eltern unterstützten ihn trotzdem.

Nach dem Abitur ging er nach Nürnberg und studierte BWL. „Ich habe keinen großen Plan gehabt, sondern immer Gelegenheiten ergriffen, wenn sich diese ergeben haben“, sagt er. Noch während des Studiums gründete er mit drei Kommilitonen 2004 eine Beratungsfirma für Strategieentwicklung und Innovationsmanagement, die Vend Consulting GmbH. Von den anderen Mitstudierenden bekamen sie dafür nur Mitleid. Die wollten lieber direkt bei einem großen Unternehmen einsteigen. Seine Firma wurde ein Erfolg. Und der Arbeitsalltag seiner ehemaligen Mitstudierenden langweilig. Später wollten sie auch mitmachen.

Nach der Gründung machte er Karriere an der Universität

Parallel zur Gründung promovierte er. Danach war er ab 2007 bei der Beratung in Vollzeit tätig. Von der kleinen Bäckerei zur Hightech- Ausgründung an der Universität, er hätte fast alles betreut. Nach der weltweiten Finanzkrise zog es ihn 2011 in die Wissenschaft. Zunächst war er Juniorprofessor für Ideen- und Innovationsmanagement an der FAU in Erlangen-Nürnberg. 2014 ging er als Professor für Technologie- und Innovationsmanagement an die Syddansk Universitet in Dänemark. Im Anschluss daran besetzte er den Lehrstuhl für Technologiemanagement an der FAU.

Nach drei Jahren wechselte er an die Universität Stuttgart. „Hier kann ich etwas aufbauen. Das ist wie ein Startup“, sagt er. Das regionale Ökosystem und die Makerspaces der Stadt kenne er bereits gut. Auf Konjunkturen und die Geschäftslage sei er nicht mehr angewiesen. Das bedeute, dass er mehr Zeit für seine Studierenden habe. Neben der Stelle an der Universität ist er stellvertretender Vorsitzender von Querkraft. Der Innovationsverein bringt Vertreter:innen aus Wirtschaft und Wissenschaft zusammen.

Wenn er heute Entrepreneurship lehrt, könne er auf Erfahrungen zurückgreifen, die er bei seiner eigenen Gründung gemacht habe – positive wie negative. Eines bereue er zum Beispiel: „Wenn wir damals auch Informatiker, Maschinenbauer oder Ingenieure dabei gehabt hätten: Was hätte dann aus der Firma werden können?“. Mittlerweile setze er mehr auf Interdisziplinarität, auch beim Thema Digitalisierung. Brem ist kein klassischer KI-Forscher. Er sieht seine Rolle eher darin, auszuloten, wie man erfolgreich Produkte entwickeln und gründen kann.

„Mir ging es immer schon darum, Sachen zu verbinden, und sich im Netzwerk Bälle zuzuspielen“, sagt er. Mit dem Mindset ist er beim Cyber Valley gut aufgehoben. Die internationale Konkurrenz ist groß. Ob das KI-Cluster da mithalten kann? „Man muss den Anspruch haben“, sagt er. Nicht lange fackeln und nach vorne schauen. Das zieht sich durch das Leben von Alexander Brem. Er könnte damit wieder Erfolg haben.

 

Drei Fragen an Alexander Brem

1) Welche Innovation wünschen Sie sich?

Persönlich wünsche ich mir eine Software, mit der ich meine Gedanken in Echtzeit direkt in Nachrichten wie E-Mails, Briefe oder ähnliches übertragen und zudem in andere Sprachen übersetzen kann. Unternehmen wie Facebook arbeiten offensichtlich schon daran. Das zeigt ein typisches digitales Dilemma auf: Wird der Nutzen der Anwendung die Datenschutzbedenken aufwiegen?

2) Wer aus der Digitalszene hat Sie beeindruckt?

Da fallen mir aktuell alle Beteiligten der Schulfamilie ein, die mit größtem Engagement von heute auf morgen hauptsächlich in Selbstinitiative auf digital umgestellt haben, also Lehrkräfte, aber auch Familien. Ich kenne keinen anderen Bereich, in welchem die Digitalisierung so weit zurückgelegen war wie hier.

3) Als Digitalminister würde ich…

…das Ministerium als Querschnittsaufgabe begreifen und versuchen, die vielschichtigen Aktivitäten der anderen Ministerien in Richtung Digitalisierung zu unterstützen, übergeordnet zu koordinieren und mit neuen Ideen voranzutreiben.

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Kontakt

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Melanie Minderjahn

 

Wiss. Mitarbeiterin, Referentin für Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit

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